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Skulptur No. 07 vom 22. 09. 02 / Ilka Klose

AbSchluss
Das skulpturale Ende ist anders als gedacht? Statt der vorgeschlagenen Plastikfolienbahnen in rot, gruen, blau bzw. schwarz, gelb, weiss, ist eine graubunte Stofflandschaft entstanden. Ilka Klose hat fuer die materiale, aesthetische Zusammenfassung der Skulptur eine sanfte Verhuellung der Objekte gewaehlt. Fuer diese letzte Praesentation des RGB-Projekts hat sie etwas zu kurz erscheinende Ueberzuege naehen lassen. Die leichte, weiche Textile entstammt dem Alltagsgebrauch. Sie dient als Umzugsdecke und besteht augenscheinlich aus kleingehaeckselten, zusammengepressten Altkleidern. Neben dem dominanten Grau als Mix aller moeglichen Farben, weisen die einzelnen zusammengesteppten Faeden die ganze Palette der Toene auf. Zusaetzlich wurden Etiketten aus zerschnittenen Frottierhandtuechern aufgenaeht, die jeweils eine eindeutige Farbabfolge in kleinen Quadraten zeigen. Nur bestimmte, nicht immer erkennbare Gegenstaende - quer durch die sechs Umwandlungsstadien - werden fuer den skulpturalen Aufbau verwendet. Mit lockeren Ueberwurf versehen, stehen Tisch und Stuhl der Ursprungskultur, in Formation der zweiten, vor einer DreiecksEcke. Andere Elemente erhalten ein Kleid und werden nahezu reine Form: Quader, Zylinder oder sie haengen und hocken: amorphe Saecke.

Topistin
Die kuenstlerisch Handelnde studiert Aegyptologie. Ihr Zugriff ist durch Anerkennung der Erhabenheit von Vergangenem und hochgradiger Vorsicht im Umgang mit den Objekten gepraegt. Sie archiviert, konserviert die Fundstuecke und schuetzt sie vor Verfall und unbefugtem Zugriff. Bei ihrer ideellen Nachforschung spuert sie den Relikten der einzelnen Stadien nach, um sie zu einer sowohl MOLA-typischen als auch deskriptiven Formation zusammenzufuehren: "Die Geschichte der Skulptur begann mit einem moeblierten Kasten, der dann von einem kleinen Eismeer weggedrueckt wurde. Nachdem Eis folgte die Luesterwolke, die ihren Niederschlag unter einem Sockel fand. Die ueber dem Sockel schwebenden Stelen laeuteten einen Fadentrichter ein. Nachdessen Ent-Wicklung befand man sich im Vorzimmer zum Paradies." Gegen Utopia setzt Ilka Klose auf Topologie. Die Lage und Anordnung geometrischer Gebilde im Raum greift sie auf, um sie zu vereinheitlichen, unter Faltenwuerfe zu verschieben oder ihnen etwas ueberzustuelpen. So entsteht ein verwunschenes Arrangement.

UmZug
Auf den ersten Blick kann das verwendete Material mit beuysschen Filz verwechselt werden. Die Qualitaet dieser Decken ist jedoch wesentlich geringer, als die des Stoffes fuer Fett, Waerme und KunstKult einzuschaetzen. Sie sollen ja nur bei einem Umzug trennen und schuetzen. Das Recycling-Produkt hilft, die Alt-Kleider-Berge abzutragen. Selbst verschlissen wird es wieder dazu geschmissen.
Die Skulptur ist potentiell zum Abtransport bereit und verharrt in dieser mobilen Gestalt. Mit einer Pixelstruktur signiert, wird sie medial durch das Netz geschickt - und ist praktisch auch fuer reale KunstReisen offen.

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Skulptur No. 06 vom 07. 09. 02 / Christel Irmscher

Entree
Die Spannung ist geloest. Zur Begruessung treffen auf dem Podest zwei Garderobenstaender aufeinander. Einer traegt ein Netz mit Aepfeln der andere Garnrollen. Die Szenerie ist mit einem blauen Teppich unterlegt, der von der Holzleiste des schwebenden Postaments umrahmt wird. Ueber dem filzartigen Belag mit leichtem Wellenwurf fuehrt Christel Irmscher den vormals abgespulten Faden wieder in seine industrielle Formation zurueck. Aufgewickelt in handliche Portionen zu je 100 Meter Laenge. Die sechs Rollen sind an den geschwungenen Enden des einen baumartig stehenden Metallbuendels plaziert. Am anderen parallelgefuehrten Geaest befindet sich, wie eben gerade hingehaengt und zum Wiederabnehmen bereit, ein blaues Haekelnetz mit verschiedenen rotbackigen und gruenen kuenstlichen Aepfeln gaengiger Sorten. Die schwarzen Staender stehen in einem deutlichen Abstand zueinander. Sie lassen einen Zwischenraum, wenngleich ihre Anordnung auf der viereckigen Flaeche eher der aesthetischen Zufaelligkeit zu folgen scheint.

Passage
Durch ihre skulpturale Zusammensetzung aus den Elementen eines Vorzimmers, deutet die Arbeit selbst auf ihr Dasein als Durchgangsstadium hin. Sie steht zwischen der vorherigen Verspannung und einer weiteren, unabsehbaren Verwandlung. Mit dieser Vor- und Rueck-Schau verweist Christel Irmscher auf das Prinzip der MOLA-Konzeption: Eine stetige Veraenderung der Skulptur bis hin zur moeglichen Tilgung des jeweils vorherigen Zustands. Im BetrachterTest des kunstgeschichtlichen VergleichsWissens diskutiert die Kuenstlerin auf der Ebene des ready-made-Gedankens bzw. seiner Veraenderung als produktives Missverstaendnis in der Kunstentwicklung. Im Gegensatz zum objet trouvé, handelt es sich bei den ready-mades, naemlich nicht um gefundene, triviale, zur Kunst erhobene Gegenstaende, sondern um Objekte eines privaten Experiments des Kuenstlers Marcel Duchamp zu der Frage: Kann man Werke machen, die nicht Kunst sind? Keineswegs wurde also von ihm etwas auf den Sockel gestellt und zu Kunst erklaert. Erst die nachfolgenden Kuenstlergenerationen verkuerzen die Konzeption fuer ihren Gebrauch, um die klassischen Register der Bildenden Kunst zu erweitern. Duchamp hingegen praesentierte die ersten ready-mades unauffaellig an einem KleiderStaender am Eingang einer Galerie anlaesslich einer Ausstellung. Vom Publikum wurden sie nicht als Kunstwerke identifiziert. Im Nachhinein ist auch nicht festzustellen, um was es sich bei den Objekten handelte. Wahrscheinlich waren es keine kuenstlichen Aepfel im Haekelnetz und sechs Schnurrollen - ?

Poesie
Was koennte man nicht alles an der Garderobe abgeben? Bei aller Aufgeraeumtheit der Dinge auf dem Postament, fragt man sich bei dem augenfaelligen leichten Falten- und Tunnel-Wurf des Untergrunds jedoch, was da unter den Teppich gekehrt wurde. Gewiss ist da noch das Loch in der Mitte ... In der Phantasie koennte man auf der labilen Platte im Meer der Begriffsdome eine Kunstfigur umherwandeln lassen. Was wuerde sie angesichts der materialen Netzmetapher tun? Die Fruechte werden ihr einerseits im tragbarem Beutel zum Konsum angeboten, andererseits gehoeren sie, so abgeerntet, wohl jemandem und scheinen somit verboten. Wendet sie sich den Knaeueln zu, so muss sie allerdings glauben, im Paradies zu sein. Da, wo einem die Fruechte der Kunst ins Netz fallen und etliche RettungsFaeden zum Abspulen auf Irrwegen bereit haengen: eben Eden - ein KunstRaum.

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Skulptur No. 05 vom 25. 08. 02 / Ellen Wolff

RaumLinien
Faden fuer Faden wird ein Objekt entwickelt. Ellen Wolff vollzieht die Ausmasse des skulpturalen Raums nach. Es entsteht eine Schnurzeichnung. Im geometrischen Zusammentreffen von Kreis, Viereck und Kreis, formieren sich die Faeden im Zentrum zu einem Zylinder. Als bleibendes Element wird die MonitorRueckwand in ihrer SockelFunktion nocheinmal zum Keil- bzw. Web-Rahmen gewendet und mittig mit einem runden, tellergrossen Ausschnitt versehen. 600 Meter Juteschnur umwindet die Platte und den in 3 Meter Hoehe darueber schwebenden PlastikRing. Der freie Raum wird durchwebt.

Ein dreidimensionales LinienModell wird aufgespannt. Es ermoeglicht Durchsichten auf Ueberschneidungen, Parallelfuehrungen und Verdichtungen. Obwohl es gut vorstellbar waere, wurde die Form nicht als ein DrahtGitterModell vorweg am Computer generiert, vielmehr ist sie in Handarbeit, in bezug zum Raum und den vorhandenen Materialen, innerhalb eines Tages entstanden. Die naturbelassene, fade Farbigkeit der Jute (statt Plastik) kann als Hinweis auf diese sensitive, physische Taetigkeit gelesen werden. Der penetrante Geruch des Stoffes verleiht der Skulptur eine Dimension mehr. Als klassisches LeinwandMaterial steht er im gewollten Widerspruch zu den medialen Farben: Rot, Gruen, Blau.

SchnurStracks
In der handwerklichen Tradition laesst sich die Spur dieses kuenstlerischen Geflechts ueber die Herstellung von Geweben bis hin zum Makramee, der urspruenglich arabischen Knuepftechnik, bei der aus gedrehten Faeden mit Fransen kunstvolle Mustern entstehen, zurueckverfolgen. Ueber den traditionellen Anspruch des Kunstvollen leistet die Kuenstlerin ironisierende Verbindungsarbeit, indem sie das Material einer beliebten Freizeitbeschaeftigung der siebziger Jahre gerade aus aesthetischer Intention weiterverwendet. Fleissig wurde damals kostbare Zeit fuer eine Textilie geopfert, die dann als Wandbehang oder Blumenampel diente. Statt der dekorativen Knoten wird der, zwar streng aber nicht regelmaessig und zum Teil locker gezogene Faden, nun als Mittel der Objektbeschreibung verwendet. Folgt man seinem Verlauf, so kann man das Auf und Ab der Taetigkeit beim Entstehen des trichterfoermigen Gebildes nachvollziehen und wird in eine fliessende Bewegung mit eingebunden.

StrukturSpannen
Eine Schleife zur Kunstgeschichte laesst sich ueber das, beim gemeinsamen Handarbeiten typische, Erzaehlen machen. Vielleicht wurde sich bei einem solchem Kultur tradierenden Gespraech ja ueber ein Ereignis aus der Kunstgeschichte unterhalten, wie: Duchamps entworfene Fadenverspannung fuer First Papers of Surrealism, 1942 in New York. Der gesamte Ausstellungsraum wurde hierbei mit einen Schnurgewirr versehen, ueberdies wurde zur feierlichen Eroeffnung eine Gruppe von Kindern bestellt, die lautstark und tobend den gesamten Abend ueber zwischen den Bildern, Faeden und Leuten spielten.

Im Gegensatz zur surrealistischen Bespielung des Galerieraums wird sich wohl kaum ein Besucher in der fragilen RGB-Kunst-Verspannung verheddern. Es sei denn, er taucht imaginativ zu tief ein - in den derben Schleier, der eigentlich nichts verhuellt und nur auf das verweist, was er schwebend formiert.

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Skulptur No. 04 vom 11. 08. 02 / Sascha Spengler

Aufgesockelt
Die Umgestaltung von Sascha Spengler fuehrt die Skulptur wieder zurueck auf den Boden der kuenstlerischen Tatsachen. Nach seinen Anweisungen ueber das Internet - er betrachtet, begutachtet und agiert nur medial - wurden die PET-Flaschen (Plate) aus der Schwebeposition heruntergeholt. In der Bueckzone zwei tragen sie nun eine ca. 4 qm grosse Palette. Die Monitor-Rueckseite des Mixed-Media-Baus, der Ursprungsskulptur (Bertram), in Wiederverwendung. Darueber geschichtet und gleichfalls im Rechteck ausgerichtet: die StyroporSchollen der zweiten Skulptur (Schilling). Die Oberflaeche des Postaments ist aus Schotter geschuettet. In diese abschliessende Ebene sind zwei Bananen eingebracht.
Das Blau der Flaschen wird durch Neonroehren zum Leuchten gebracht. Sie uebernehmen eine Funktion, die man auch den fuenf metallischen Einschlagbodenhuelsen zuschreiben koennte, die wie Lampen ueber dem Sockel an einer rot-gruen-blau gestrichenen, hoernerhaften Querlatte aufgehaengt sind.

Angelaeutet
Diese, wie Glocken baumelnden Stelen, scheinen das Podest symbolisch zu erhellen. Mit ihrer Haengung werden sie im kuenstlerischen Sinn verwendet und als aesthetische Objekte ihrer praktischen Funktion, der stabilen Verankerung von Pfaehlen im Boden, beraubt. Sie sind "verkehrt herum" installiert und werden so zu Richtungspfeilen oder Bedeutungsvektoren. Der Betrachter ist gehalten sich das neue Oben & Unten der Skulptur zu vergegenwaertigen. Das kunstgeschichtliche Fundament fuer dieses Sockelproblem wurde von Piero Manzoni geschaffen. 1961 errichtet er den Sockel der Welt und machte sie selbst zu einem Exponat der Kunst. Die Bedeutsamkeit des Sockels als untrennbarer Teil einer Plastik wird bereits von Brancusi aufgezeigt. Bei ihm fuehrt das Experimentieren und Philosophieren zu den "Endlosen Saeulen". Sascha Spengler enthebt sich dieses Problems, indem er den Unterbau als Ueberbau praesentiert.

Ausgezeichnet
Durch die Ueberdeckung mit beuysianischem Basaltschotter - kombiniert mit entwurzelten Stelen - bekommt die Schichtung der Materialien aus den vorangegangen Stadien der Skulptur eine geradezu pathetische Dynamik: Kunststoff-Technologie unter geweihtem Geroell.
Als Tableau aus natuerlichen und kuenstlichen Werkstoffen Plastik, Holz, Styropor, Stein gibt die Arbeit aesthetisch komprimiert und eingeebnet, die skulpturale Abfolge als totalen Umbau wieder. Die Spurensuche am Sockel-Rand ermoeglicht dem Betrachter dieses mal jedoch noch Reste und Rueckverweise zu finden und versetzt ihn geradezu in Kontemplation, waere da nicht etwas Exotistisches im Feld: Bananales, als Signatur, die ironischerweise immer noch jedes Kunstwerk adelt.

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Skulptur No. 03 vom 21. 07. 02 / Allmut Plate

BlauGespann
Die Skulptur wird mit dem Eingriff von Allmut Plate in einen anderen Aggregatzustand ueberfuehrt. Die weissen Schollen sind verschwunden. Wo vorher das Eis war, erhebt sich jetzt ein blaues Gebilde aus Flaschen, Drahtbuegeln und Schnueren, haengend befestigt an zwei schwebenden TapetenTuerenSegeln. Unter diesen Tragflaechen formieren sich die blauen Flaschen paarweise oder allein kopfueber zu einem glitzernden Luester. In seinen Auspannungen nimmt er nahezu den ganzen, vorgesehenen skulpturalen Raum von 3 x 3 x 3 Meter ein. Transparentes Blau-Bleu-Blue ist der vorherrschende Farbeindruck. Die Holzstreben und die Sisalschnuere fallen in ihrem naturverbunden Beige optisch kaum ins Gewicht, leicht und beweglich geben sie der Figuration Halt und Form, ohne dass diese zu einem Mobile wird.

ModellWasser
Gedankliches Tauwetter fuehrte die Kuenstlerin narrativ wie konzeptionell zu einem ihr vertrautem Material: den PET- Flaschen von Selters. Der Produktname Selters - "Reines Wasser muss durch einen tiefen Stein" - wird im Deutschen geradezu synonym fuer sprudelndes Wasser gebraucht. Die Flasche, als das Symbol fuer trinkbare Fluessigkeit schlechthin wird hier real genommen, um eine skulpturale Erscheinungsform in eine andere umzuwandeln. Mit ihrer Loesung fuehrt Allmut Plate die Skulptur thematisch weg von der Schwere der Romantik und hin zu den kuenstlerischen Experimenten mit den Naturelementen. Fest, fluessig, gasfoermig: Die Flaschen sind wie Molekuele in zweier Konstellationen vereinigt oder sie haben sich samt dorniger Ringe vereinzelt. Die Drahtbuegel als Wassertraeger sind das verbindende Element. Sie verstaerken die Assoziationen zum Wassermodell, denn sie werden nach der chemischen Reinigung der aufgefrischten Kleidung mitgegeben. H ² 0 ist hier natuerlich in Aufloesung begriffen - schliesslich geht alles ueber in Luft.

LeichtFlug
In ihrer geklammerten Parallelfuehrung erinnern die Fluessigkeitsbehaeltnisse an Flugobjekte. Ihre serielle Anhaeufung laesst sie zum Schwarm werden, der unter den Fluegeln kreist. Und wenn sie sich zum Luester formieren bleiben sie auch begrifflich ganz im Bild. Denn nicht nur Waerme und Energie laesst Festes zu Dampf werden, wofuer der verschwenderische Glanz eines Leuchters stehen koennte, auch etymologisch wird Bedeutung aufgeladen: oesterreichisch Luester kommt von Luster und lustrieren heisst im religioesen Sinne: feierlich reinigen. Mit dieser geistigen Erhebung bleiben die weiteren Hoehenfluege - zu nahe am Licht - den Betrachtern ueberlassen. Was die Gedanken zum Fliegen bringt ist die Leichtigkeit von Einweggefaessen aus Plastik und das kuenstlerische Statement als plastisches Objekt im Uebergang.

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Skulptur No. 02 vom 30. 06. 02 / Caroline Schilling

De-Konstrukt
Mit einer dekonstruktiven Geste gestaltet Caroline Schilling aus dem vorgefundenen Bau ihr skulpturales Statement. Sie arbeitet mit einem gedanklichen Konstrukt und einem bildnerischen Entwurf uebers Internet. Nach einigen Anweisungen fuer die kuenstlerischen Mitarbeiter laesst die Kuenstlerin der Sache ihren Lauf. Dem Geschehenen stellt sie sich dann als Vernissage-Besucherin.
Indem sie sich der alten Struktur bedient, bringt sie die AusgangsSkulptur zum Einsturz und konstruiert aus den "zu rettenden" Elementen eine andere. Vieles wird weggelassen - als tragende konstruktive Elemente verbleiben: die DesignerStuhlNachbauten, einige Holzlatten und zwei segelartige, hochaufragende Tapetenwaende. Die fragil wirkende Konstruktion ist mit weissen Platten in Schichten ueberdeckt. Eine destabile Lage, denn die uebereinandergeschobenen StyroporSchollen scheinen sowohl in die Hoehe zu streben als auch in den Raum zurueckzurutschen.

Media-Romantik
Zitiert wird mit dieser Gestaltung leicht erkennbar das "Eismeer" von Caspar David Friedrich (1823/24). Der Rueckgriff auf "Die Gescheiterte Hoffnung" der Romantik, fuer die Friedrich als der Mann, "der die Tragoedie der Landschaft entdeckt" in die Kunstgeschichte eingeht, spielt mit Deutungsmustern der Darstellung von Erhabenheit: Krise der Natur, menschliche Ohnmacht, politische Resignation.
Bereits die kanadische Kuenstlergruppe General Idea verwendet das Eismeer als metaphorische Ebene ihrer Installation "Fin de siécle" (1990), um die romantische Vorstellung von der Autonomie der Kunst anzugreifen. Gezeigt werden drei weisse Kuscheltier-Seehundbabys in einem Meer von mannsgrossen Styropor-Eisschollen. Durch die Verkopplung des Gezeigten mit dem Epochenbegriff im Titel setzt General Idea zu einen gedanklichen Sprung an: zur Phase der Ueberspitzung der Romantik, zum Hedeonismus. Die hedonistische Auffassung, dass Kunst nur der verstehen koenne, der Kuenstler sei, fuehrt dazu, dass die Kunst am Ende des 19. Jahrhunderts selbst zum Gegenstand der Kunst wird. Die intellektuelle Anschauung und die Entwicklung von Konzeptionen wenden sich in der Theorie des l´art pour l´art gegen die gesellschaftliche Anbindung der Kunst und machen sie zu einem eigenstaendigen Bereich.
Caroline Schilling nimmt diesen kunstgeschichtlichen Hintergrund auf, um "Kunst ueber Kunst" wie die medialen Grundfarben Rot, Gruen, Blau zum dominierenden Weiss zu addieren.

Mehr-Eis
Der aufschwimmende Tisch kann ohne historischen Bezug davon treiben, doch die festgesetzten Stuehle von Bauhaus und De Stijl werden von weissen Schichten ueberlagert - aesthetisch in der kunstbegrifflichen Endloskette festgefroren: l´art pour l´art pour l´art pour l´art pour ....
Jenseits des Treibguts im KunstEis, koennen jetzt zur Sommerszeit auch andere Assoziationen zu Eisbergen freigesetzt werden: Erfrischung? Titanic? Oder: Wie waere es mit einem Glas von dem immer beliebter werdenden Wasser, das von abtauenden Gletschern, deren Bruchstuecke im Meer herumtreiben, gewonnen wird? Ohne Mineralien und Spurenelemente. Kuenstliche Reinheit auch hier: fast 100%

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Skulptur No. 01 vom 09. 06. 02 / Lutz Bertram

Monitor als Buehne
Die dreidimensionale Reihe des Museum Of Living Artists; Red, Green, Blue ;-)? beginnt mit Lutz Bertram. Mit dieser Ursprungsskulptur wird das Prinzip, des sich durch kuenstlerische Hand und Anweisung veraendernden Werkes, dass mit dem MOLA-Panoramabild durchgespielt wurde, um die dritte Dimension erweitert. Ein 2,50 m x 2,50 m x 3 m grosser Mixed-Media-Bau dominiert den Raum. Der Raum im Raum hat die klassische MonitorForm, erkennbar an den runden Kanten des Bildschirmfensters und die Abschraegung auf die 4 qm grosse Rueckseite. Das verwendete Material: Nut-&Feder-Holz, Tapete und Lampen erinnert an den Kulissenbau und eine gewisse Theatralik ist auch intendiert. Auf der Buehne koennte sich, nach der Premiere und Vorstellung des Kuenstlers, unter seinem Titel fuer die Arbeit: "Alle Programme fuer 150 Euro" das Folgegeschehen abspielen.

AV - IN - OUT
Als Skulptur ist das Objekt auf eine aeussere Betrachtungsweise hin angelegt. Beim Umschreiten tritt als wesentliches Element die Konstruktion, das Geruest als Gitterwerk, hervor. Die Machart des Kastens ist aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen, aber nie ganz zu ueberblicken. Verlattung und Papierbahnen versperren die Durchsicht. Der Betrachtungsabstand muss jedoch nicht eingehalten gehalten werden, das Innere kann durch zwei Tapeten-Tueren: Audio-Visueller Ein- und Ausgang betreten werden. Angeleuchtet von vielen kleinen Spots, tritt der Besucher auf die Buehne hinter die imaginierte Mattscheide. Im medialen Lichte vor Rot-Gruen-Blau gestreiften Hintergrund - stehen Tisch und Stuehle bereit. Platzhalter sind grobspanige Nachbauten von Rietvelds Rot-blau-Stuhl (1917) und Breuers Holz-Lattenstuhl (1923). Mehr skulptural als funktional setzen sie einen kunsthistorischen Bezug zu Bauhaus und De Stijl in Szene.

Wohnen als Schonen
Waehrend mit dem Moebel-Design der zwanziger Jahre eine neue radikale Gestaltungsweise formuliert wurde, die die Plastiken als Ausgangspunkt fuer ein Gesamtkunstwerk sieht, wird mit Lutz Bertrams auf- und abziehbarer Lampe, den Tapeten aus der milden Kollektion, Streifen an den Seiten und Bluemchen am Himmel, auf ein anderes Programm umgeschaltet. Umgeben von hellem Holz und kaschierten Waenden koennte sogar Gemuetlichkeit aufkommen. Durch die Anknuepfung an die Tradition der Benutzbarkeit von Kunstobjekten wird vielleicht auch fuer die Zuschauer vor der Konstruktion, das ein oder andere gerade gerueckt, ihre Phantasie angeheizt oder sogar der Wunsch geweckt, einmal in Kunst zu uebernachten. Schon vormittags kann man im Privatfernsehen aehnliche Interieurs bewundern und dergleichen Auffuehrung von Intimitaet findet noch immer vor laufenden Web-cams im Internet statt.

Etymologisch kommt die Bezeichnung Monitor von Aufseher bzw. Ratgeber, der eine bestimmte Szenerie begutachtet. Wandelt sich die Funktion einer Person zur Bezeichnung eines technisches Geraetes, wird auch die Kontrolle an einen ganz unpersoenlichen Apparat weitergegeben: Monitoring. Lokal kann in der Kulisse zu derartigen Theoriestueckchen im umfriedeten Raum jenseits von Streaming Video geprobt werden. Fuer die globale Sendung wuenscht man einen guten KunstEmpfang.

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Ausgangs-Skulptur No. 0 vom 26. 05. 02 als Massvorgabe der KunstForschung: 3 x 3 x 3 Meter, im MOLA-Raum im Institut fuer KunstForschung, in dem die Skulptur Ihre Veraenderungen erfaehrt. 34346 Hann. Muenden, Kurhessenstr. 2, Sonntags 15:00 - 17:00 Uhr und nach Vereinbarung 05541 / 98 91 91

Die Projektbeschreibung RGB: ... Veranstaltungsreihe: global - lokal
Das Projekt bezieht die Tradition der Bildenden Kunst auf das neue Medium Internet. Ziel ist die Erforschung und Weiterentwicklung der Kunst, der Bildung und der Kommunikation in bezug auf das Netz ... Im World_Wide_Web wird nach Kuenstlern gesucht, die im Sinne von Bildender Kunst reflexiv mit dem Medium umgehen. Um sie vorzustellen ist diese website eingerichtet ... Zur Einführung wird eine lokale, öffentliche Veranstaltung mit Internet-Kultur-Referenten in Hann. Münden (in Zusammenarbeit mit den Schulen) stattfinden. ... Es werden sieben bildende Kuenstler eingeladen, die über das Internet (oder auch vorort) nacheinander in Form von Überarbeitungen eine Skulptur erschaffen / veraendern. Sie wird ca. 3 x 3 x 3 Meter messen und frei in einem 45m² grossen Raum stehen. Die einzelnen Phasen werden global im Netz und lokal als materiales, zu betrachendes, sich veränderndes Kunstwerk zu sehen sein. Zum Abschluss werden die Ergebnisse des Projekts aufgearbeitet, zusammengefasst und als Katalog veröffentlicht. // Das Projekt wird gefoerdert vom Landschaftsverband Südniedersachsen e.V.

* Mit dem Veranstaltungstitel wird ein beruehmtes Bild des Abstrakten Expressionismus "Who´s Afraid of Red, Yellow and Blue" zitiert. Die Farben der Malerei sind ersetzt durch die medialen Projektionsfarben der Video- und Computer-Monitore, vor denen wir taeglich sitzen.

copyright Ana Dimke 2002, Scrollheim.de ................................................ Top ...